Friday, September 28, 2007

Von unstrukturierten Professoren und besetzten Fabriken

Montag, der 10. September 2007

Am Montagvormittag gehen wir erstmals in die Universidad Bolivariana, an der Christian Cwik Gastprofessor ist. Diese Universität wurde 2003 im Rahmen einer Bildungsinitiative von Chávez gegründet. Ziel ist es, in jedem der 334 Munizipien (vergleichbar mit Landkreisen) eine aldea universitaria (Bildungsstätte) einzurichten, wobei sich in Caracas der Hauptsitz befindet.

Die Universidad Bolivariana befindet sich in der Nähe der Universidad Central de Venezuela (UCV) in einem ehemaligen PDVSA Gebäude. Dieses wurde während des Generalstreiks 2002/2003 von der Regierung übernommen. Die Professoren, die hier unterrichten, wurden von anderen Universitäten angeworben, so dass sich hier die verschiedensten Nationalitäten tummeln. Im Jahr 2006 absolvierten erstmals Studierende ihren Bachelor. Seit jenem Jahr werden hier auch Master und Doktorgrade angeboten.
Im Gegensatz zu den anderen Universitäten werden hier verstärkt indigene Sprachen angeboten und sie ist strukturell in das politische Konzept Chávez' integriert.

ALBA versus MERCOSUR

Wir hören einen Vortrag von Gastprofessor Armando Figueiredo, der aus dem Nordosten Brasiliens stammt und u.a. in der ehemaligen Sowjetunion studierte. Sein Vortrag ist leider sehr unstrukturiert und streift das angekündigte Thema lediglich. Wir wollen hier versuchen, trotzdem die wichtigsten Punkte wiederzugeben.

Seiner Ansicht nach existieren zwei Formen der Globalisierung, eine neoliberale und eine solidarische. Der Mercosur ist eine Einheit von Nationen [Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay], die ähnlich wie die EU in ihren Anfängen einen gemeinsamen Markt zu schaffen versuchen, um durch eine Zolleinheit die Preise zu senken und somit besser mit ausländischen Produkten konkurrieren zu können. Somit ist der Mercosur, der seit 1991 besteht, das lateinamerikanische Gegenstück zur ALCA und entspricht der neoliberalen Globalisierungsform.

Venezuela, das vorher dem Andenpakt angehörte, verließ diesen, um dem Mercosur beizutreten, u.a. auch um diesen solidarischer auszurichten. Die USA, EU sowie radikale-soziale Parteien und Bewegungen aus Venezuela sprechen sich gegen diesen Beitritt aus.

Erst auf Nachfrage hin ging der Referent auf das lateinamerikanische Sozialprojekt, die ALBA (Alternativa Bolivariana de las Americas) ein. Mitglied in der ALBA und Mercosur zu sein (wie es dann im Falle Venezuelas wäre), widerspricht sich laut Figuereido nicht, da die ALBA insbesondere den sozialen Aspekt betont. Im Mercosur könnte Venezuela somit diese soziale Komponente vorantreiben.

Die besetzte Fabrik Inveval in Los Teques

Nach einer kurzen Mittagspause begeben wir uns nach Los Teques, um eine besetzte Fabrik zu besichtigen. Leider erreichen wir sie durch einen Stau erst gegen 16 Uhr, so dass wir beinahe nicht mehr herumgeführt worden wären.

Während des Generalstreiks 2002/2003 wurde die Fabrik, die Pipelineverbindungsstücke für die Erdölindustrie herstellt, vom Eigentümer geschlossen. Daraufhin begann der Kampf der ArbeiterInnen, um die Wiederaufnahme der Produktion. 2003 besetzten diese schließlich die Fabrik und erhielten für die Wiederaufnahme einen Regierungskredit, der auch jetzt noch das Einkommen der 60 ArbeiterInnen garantiert. Chávez legalisierte somit die Besetzung. Der Besitzer, ein ehemaliges Vorstandsmitglied der PdVSA, wartet immer noch auf seine Entschädigung.

Ähnlich den Consejos Comunales organisiert sich die Fabrik in einem Consejo de Fabrica (Fabrikrat), der von allen ArbeiterInnen in einer Vollversammlung (asamblea), dem obersten Organ, gewählt wird. Dieser Fabrikrat unterteilt sich in verschiedene Kommissionen wie bspw. eine technische oder eine sozio-politische Kommission. Diese gelebte Form der Basisdemokratie soll landesweit in allen Fabriken angewendet werden. Hierbei wird auch Wert auf gleiches Einkommen für alle gelegt.

Die Produktionszeit beträgt zwischen fünf bis sechs Stunden. Hinzukommen zahlreiche Schulungen, die praktisch der Produktion dienen oder bspw. eine Einführung in die Betriebsleitung darstellen. Idealerweise soll die Fabrik auch mit den Kommunen zusammenarbeiten. Durch diese Zusatzbelastung entstehen laut FabrikarbeiterInnenaussage, Arbeitstage von bis zu 12 Stunden.
Unsere Gesprächspartner erscheinen uns politisch sehr gebildet.

Ein nächster Termin in der UCAB (katholische Universität) wird durch einen weiteren Stau verhindert, den wir neben dem Bus herspazierend, Bierchen trinkend und hitzige Diskussionen führend, genießen.
Autorinnen: Jana und Janina

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